Review< Zurück 08.12.2010
Von Nick Gruber
Wer hätte gedacht, dass es über eine durchgemolkene Ikone wie John Lennon außergewöhnliche, unerzählte Geschichten gibt.
Noch bevor es die Beatles gab, war der junge, schlaue, witzige, selbstbewusste John Lennon (Aaron Johnson) bereits von Frauen stark beeinflusst. Nachdem sein Ziehvater und guter Onkel Charlie stirbt, bleibt er bei seiner scheinbar gefühlskalten und disziplinierten Tante Mimi (Kristin Scott Thomas). Er findet heraus wo seine Mutter wohnt und versucht den Kontakt wiederherzustellen – die Tante rät ihm davon ab und warnt, dass ihre Schwester ihm weh tun würde, so wie früher auch. Die Eigenart der Situation wird klar durch ihren Wohnort – denn die Mutter lebt in Gehreichweite, scheinbar glücklich mit ihrem Mann und ihren Töchtern in einem Einfamilienhaus ein paar Straßen weiter. Die Mutter verhält sich nach der Wiedervereinigung überschwänglich fürsorglich, liebt die Musik, den Spaß und gibt dem Jungen Banjo Stunden. Warum nicht gleich so? Sie nennt das Kind beim Namen: Sie liebt den Rock&Roll – und Rock&Roll = Sex. Und der schafft bekanntlich auch Probleme.
Vielleicht ist es dem sorgfältigen Realismus anzulasten, dass hier ein Drama ohne Dramatik abgeliefert wurde. Stattdessen wird den interessierten Zuschauern ein behutsames Familienspiel vorgeführt – ohne die Charaktere großartig zu überziehen. Es gibt keine Bösen. Eigentlich meint es jeder gut – und trotzdem wird manchmal geweint.
John Lennon starb am 8. Dezember 1980, 7 Tage nach meiner Geburt. Zwar nicht genug Zeit, um mir das Gesicht einzuprägen, aber trotzdem überlagert Aaron Johnsons (Kick Ass) Interpretation der Pop Ikone bereits das, was ich an Eindrücken des echten John Lennon gesammelt hatte. Aber es ist nicht nur Aaron Johnson. Generell fällt der Film um Regisseur Sam Taylor-Wood durch viel Gefühl bei der Auswahl der Schauspieler auf. Selbiges gilt übrigens auch für Tante Kristin Scott Thomas, der die Lebensdisziplin ja geradezu ins Gesicht geschrieben scheint. Vielleicht tut man sich genau deshalb ein bisserl schwer von Nowhere Boy mitgerissen zu werden. Die Besetzung ist einfach zu gut im "herkömmlich sein".
Deshalb bleibt der Film für alle Fans der Beatles und Fans von guten SchauspielerInnen sicher eine interessante Angelegenheit – trotzdem sollte man nicht mit überzogenen Erwartungen ins Kino gehen. Die könnten im Nirgendwo landen.
Meine Wertung: |
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